Das therapeutische Milieu ist der wesentlichste Baustein einer menschlichen Psychiatrie. Der Begriff bedeutet eine vorübergehende Lebensgemeinschaft von Menschen, die durch die schicksalhafte Entwicklung ihrer Krankheit zusammengeführt worden sind. Die Gestaltung wird den Bedürfnissen der einzelnen Person angepasst. Der Lebensraum innerhalb der Abteilung soll geprägt sein von Wärme und Geborgenheit, Freundlichkeit und mitfühlender Anteilnahme.
Im Miteinander soll Offenheit und Klarheit zum Tragen kommen, die es erlaubt, Ängste, Konflikte und Enttäuschungen anzusprechen und gemeinsam zu bewältigen. Das therapeutische Milieu verfügt über eine ansprechende Tages- und Wochenstruktur, die es den Patienten ermöglicht, am vielfältigen Therapieangebot teilzunehmen.
Am Anfang zahlreicher psychischer Leiden stehen schwierige Beziehungserfahrungen. Aus diesem Grund steht für uns die Arbeit am Beziehungserleben im Zentrum der psychotherapeutischen Bemühungen. Die vielen Therapieangebote sollen dazu beitragen, dass während des Klinikaufenthalts neue, bislang vielleicht unbekannte Beziehungserfahrungen vermittelt werden können, mit dem Ziel, sich nach dem Klinikaufenthalt im Umgang mit anderen Menschen und der Umwelt sicherer zu fühlen.
Die Milieutherapie ist ein eigenständiges, von Therapieschulen unabhängiges Konzept. Ziel ist die Schaffung eines heilsamen Klinikmilieus. Patienten sollen als gleichwertige Partner soviel wie möglich an Mitverantwortung und Selbstbestimmung erhalten. Hierdurch findet eine Angleichung an normale Lebensbedingungen statt. Die Klinik soll keine paradiesische Insel sein, auf der Konflikte umgangen werden können. Nur wenn die Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen sich auch in der Klinik zeigen, kann Veränderung angeregt und neues Verhalten ausprobiert werden. Dabei orientieren wir uns an folgenden 4 Prinzipien:
Alle Beteiligten nehmen, entsprechend ihrer Möglichkeiten Anteil, bestimmen mit und tragen Mitverantwortung. Damit werden wichtige soziale Fähigkeiten eingeübt. Das Ausdrücken eigener Werte und Vorstellungen soll gefördert werden, aber auch das Wahrnehmen und Respektieren der Bedürfnisse anderer.
Zwischenmenschliche Kommunikation geschieht verbal (Sprache) und nonverbal (Mimik, Gestik etc.). Eine offene, ehrliche und zielgerichtete Kommunikation ist anzustreben, in der der verbale und nonverbale Ausdruck übereinstimmen.
Eigene und fremde Verhaltensweisen sollen bewusst wahrgenommen und reflektiert werden. Gesunde Anteile sollen gestärkt sowie Rückzugstendenzen entgegengewirkt werden. Hierbei ist es wichtig, eine Ausgewogenheit zwischen Tätig sein und Inaktivität zu finden. Der geschützte Rahmen innerhalb einer Abteilung ist ein geeignetes Übungsfeld, um neue Verhaltensweisen auszuprobieren und einzuüben.
Die meisten Menschen verbringen einen Grossteil ihrer Zeit in Gruppen. Deshalb bilden Gruppen auch den Kern der Milieutherapie. Jede Gruppe hat eine eigene Dynamik. Patienten lernen während des Klinikaufenthaltes darauf zu achten, welche Rolle sie spontan in Gruppen einnehmen. Sie sollen zum Perspektivenwechsel ermutigt werden und andere Positionen innerhalb der Gruppe ausprobieren.
Seelisch leidende Menschen erwarten, in ihrer Not angenommen und verstanden zu werden. Dieser Erwartung kann am besten mit der Orientierung an einem mehrdimensionalen Modell entsprochen werden. Zu Beginn der Hospitalisation sollen in einem diagnostischen Prozess die psychische Befindlichkeit, die biologische Konstitution, das soziale Umfeld sowie das Bedürfnis nach Sinnfindung bei jedem Patienten umfassend wahrgenommen werden. Auch unsere therapeutischen Angebote sind auf diese verschiedenen Dimensionen abgestimmt.
Diverse Angebote auf den Abteilungen bieten das Lern- und Übungsfeld innerhalb der Milieutherapie. Dazu zählen u.a.:
Anwendung finden die milieutherapeutischen Prinzipien auch in den Bereichen
Diese Angebote sind fest in das therapeutische Konzept integriert und werden als Teil der Behandlung verstanden.
Die milieutherapeutische Grundhaltung sowie das mehrdimensionale diagnostische und therapeutische Vorgehen soll es den Patienten ermöglichen, dass sie die Klinik als heilsamen Lebensraum erleben dürfen, in dem neue Erfahrungen gemacht werden, die weit über den Klinikaufenthalt hinaus nachwirken.